NetZero Nordwest Deutschland

Die niedersächsische Küstenregion – vom Emsland bis in den Elbe-Weser-Raum – steht vor einem industriepolitischen Wendepunkt. Mit dem Antrag auf Anerkennung als Valley "NetZero Nordwest Deutschland" im Rahmen des europäischen Net Zero Industry Acts (NZIA) verfolgt die Region das Ziel, sich als Modellstandort für die klimaneutrale industrielle Transformation zu etablieren. Die Initiative basiert auf der Überzeugung, dass die Energiewende nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein kann, wenn sie mit industrieller Wertschöpfung, technologischer Innovation und gesellschaftlicher Akzeptanz verknüpft wird.
Bereits heute ist die Region ein Vorreiter der Energiewende. Die vorhandene Energieinfrastruktur, die Menge und Nähe zu grünem Strom, die Seehäfen mit internationaler Anbindung, die industrielle Basis in Bereichen wie Automobil, Chemie, Luftfahrt und Logistik sowie die hohe Dichte an Fertigungsstandorten und Projekten im Bereich der Netto-Null-Technologien bilden ein starkes Fundament. Die Anerkennung als NetZero Valley soll diese Entwicklung beschleunigen, Investitionen erleichtern und die Region europaweit sichtbar machen.
Strategische Zielsetzung und Motivation
Im Zentrum des Antrags steht die Absicht, die Region zu einem bevorzugten Standort für die Entwicklung, Produktion und Anwendung von Netto-Null-Technologien zu machen. Die Antragsteller – ein breites Bündnis aus Landkreisen, Städten, Kammern und Landesbehörden – verfolgen dabei einen klar umsetzungsorientierten Ansatz. Der Antrag basiert nicht auf Absichtserklärungen, sondern auf einer detaillierten Bestandsaufnahme realer Projekte, verfügbarer Flächen und konkreter Investitionsvorhaben.
Die Motivation ist dabei doppelt gelagert: Zum einen soll die Region durch vereinfachte Genehmigungsverfahren, bevorzugten Zugang zu Fördermitteln und gezielte Unterstützung bei Innovation und Fachkräfteentwicklung gestärkt werden. Zum anderen will man durch die Bündelung regionaler Kräfte und die technologische Fokussierung auf sechs prioritäre Technologiefelder – darunter Wasserstoff, Batterien, Windkraft, Solarenergie und Stromnetze – gezielt industrielle Cluster aufbauen und Wertschöpfungsketten schließen.
Regionale Stärken und Potenziale

Das Valley „NetZero Nordwest Deutschland“ verfügt über eine einzigartige Kombination aus geostrategischen Vorteilen, Flächenverfügbarkeiten, wirtschaftlicher Vielfalt und technologischer Kompetenz. Die Seehäfen in der Region fungieren nicht nur als Umschlagplätze für Energie und Industrieprodukte, sondern auch als logistische Drehscheiben für Offshore-Windenergie und Wasserstoffimporte. So entsteht unter anderem in Wilhelmshaven mit dem „Green Energy Hub“ ein zentrales Drehkreuz für grünen Wasserstoff, während in Stade eine klimafreundliche Lithiumproduktion geplant ist, in Cuxhaven das Offshore-Industriezentrum ausgebaut und Emden als Energiehafen und „Green Port“ immer wichtiger wird. Auch im Bereich der Energiespeicherung zeigt sich die Region innovativ: In Lingen ist ein 49-MWh-Großbatteriespeicher in Betrieb, während in Meppen ein 300-MWh-Speicherprojekt geplant ist. Ergänzt wird dies durch das Recyclingprojekt „Re.Lion.Bat.“ in Meppen, das Lithium-Batterien mit über 96 % Effizienz wiederverwertet, einen Multiterminal-Hub in Leer sowie einen starken Offshore-Standort in Norden-Nordeich.
Mit diesem Antrag sind im Valley „NetZero Nordwest Deutschland“ allein 90 Potenzialflächen mit einer Gesamtfläche von 6.400 Hektar identifiziert und beschrieben worden, auf denen Netto-Null-Technologie-Ansiedlungen stattfinden könnten. Ergänzt werden diese durch derzeit 155 konkret benannte Netto-Null-Investitionsvorhaben, die bereits realisiert, projektiert oder perspektivisch geplant sind. Diese umfassen nach derzeitigem Stand ein Investitionsvolumen von ca. 35 Milliarden Euro.
Hinzu kommt eine leistungsfähige Wissens- und Bildungslandschaft mit über 40 relevanten Forschungs- und Bildungsstandorten mit NNT-Bezug, darunter das Fraunhofer IWES, das DLR, die Universität Oldenburg und mehrere Fachhochschulen. Diese Wissensinfrastruktur wird ergänzt durch ein dichtes Netzwerk regionaler Innovationscluster. Diese Einrichtungen arbeiten eng mit der Industrie zusammen und bilden die Grundlage für eine innovationsgetriebene Transformation.
Die Region ist nicht nur wirtschaftlich stark, sondern auch lebenswert. Eine hohe Lebensqualität, moderate Lebenshaltungskosten, gute Bildungsangebote und eine starke regionale Identität machen sie attraktiv für Fachkräfte – ein entscheidender Standortfaktor im Wettbewerb um Talente.
Maßnahmen und Umsetzung
Der Antrag basiert auf einem detaillierten Maßnahmenplan mit 31 konkreten Maßnahmen in neun Handlungsfeldern. Dazu zählen unter anderem:
- die Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen, beispielsweise im „Aviation Park North Sea“ in Emden oder im Industriepark Etzel mit direkter Anbindung an Kavernenspeicher,
- die Einrichtung eines Reallabors zur Erprobung beschleunigter Genehmigungsverfahren,
- der Aufbau einer „Regional Skills Partnership“ zur Fachkräfteentwicklung,
- sowie gezielte Förderstrategien für Investitionen und Innovationen.
Fazit
Mit dem Antrag auf Anerkennung als NetZero Valley verfolgt die Region „NetZero Nordwest Deutschland“ ein ambitioniertes, aber realistisch unterlegtes Ziel: Sie will Vorreiterin einer klimaneutralen, resilienten und wettbewerbsfähigen Industriepolitik in Europa werden. Die Voraussetzungen sind gegeben – technologisch, infrastrukturell, politisch und gesellschaftlich. Der Valley-Status wäre der nächste logische Schritt, um diese Potenziale zu heben und die Region dauerhaft als Zentrum für Netto-Null-Technologien zu etablieren.